1615 Eine ebenso merkwürdige wie beklagenswerte Erscheinung im ausgehenden Mittelalter war der Glaube an Hexen und Zauberer. Beklagenswert nicht nur als eine traurige Verirrung des menschlichen Verstandes, sondern auch wegen der die Menschheit entehrenden, für das moralische Leben so verderblichen Wirkungen. Hexen waren nach Auffassung unserer Vorfahren menschliche Zauberinnen, die infolge eines Bundes mit dem Teufel über übernatürliche Kräfte verfügten und auf zauberische Weise ihren Mitmenschen schaden konnten. Besonders den Frauen schrieb man eine größere Wesensverwandtschaft mit den Naturkräften zu. Sie rieben ihren Körper mit Hexensalbe ein und wurden dadurch fähig, in gewissen Nächten durch die Luft zu ihren Versammlungen zu fahren, bei denen der Teufel als Ziegenbock präsidierte. Besonders liebten sie den Tanz. Jede Gegend hatte ihren Hexentanzplatz. Am berühmtesten war der auf dem Brocken im Harz, andere befanden sich im Kreise Kirchhain und am Vogelsberge. Das abergläubige Volk erzählte sich, daß die Hexen Triefaugen, rote Haare und meist einen Kropf hätten. Sie nehmen den Kühen die Milch und machen sie blau oder blutig. Kreuze mit Kohle des Osterbrandes gemacht, müssen besonders in der Walpurgisnacht die Ställe schützen. Über dreierlei Eisen läßt man das Vieh schreiten, damit es nicht verzaubert wird. Die Hexen verzaubern aber auch Bäume, beschlappern die Menschen und verursachen Krankheiten, Gebrechen und Ungeziefer. Alle Hexen hassen das Ausspucken. Mit Vorliebe verwandeln sie sich in Katzen und Kröten. Der Teufel sitzt als schwarzer Rabe oft auf ihrem Dache.
Das alles erzählten sich unsere Vorfahren in Ungedanken, als der Hexenwahn kurz vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges auch unser Dorf in seinen Bann schlug. Die den Hexen zugeschriebenen unheilvollen Kräfte zeitigten neben der Furcht auch Hass im Volke. Seit dem 13. Jahrhundert galt die Hexerei als Ketzerei und wurde von der Inquisition (Ketzergericht) verfolgt. Bestätigt und ausgedehnt wurde die Inquisition für Deutschland durch die Bulle des Papstes Innozenz VIII. vom 5. Dezember 1484. Zu derselben Zeit erschien der berüchtigte Hexenhammer, "Malleus maleficerum", das allgemeine Gesetzbuch für die Hexenprozesse. In diesen Prozessen fand die Tortur reichliche Anwendung, durch sie erhielt man alle nur gewollten Eingeständnisse. Irgendein Muttermal galt schon als Zeichen des Paktes mit dem Teufel. Fühlte die Angeklagte beim Durchstechen der Haut keinen Schmerz, so war sie schuldlos. Als Beweismittel war die sogenannte Wasserprobe besonders beliebt. An Händen und Füßen gebunden, wurde die angebliche Hexe in das Wasser, meist einen Teich geworfen. Schwamm sie, so war ihre Schuld erwiesen, ging sie unter, so war sie unschuldig. Das Urteil lautete auf Verbrennung.
Den Höhepunkt erreichte die Hexenverfolgung im 16. und 17. Jahrhundert. Neben dem allgemeinen Aberglauben wirkte damals die übertriebene Anschauung von der Macht des Teufels, aber auch Aberglaube und Zauberwahn waren der Boden, auf dem auch in Fritzlar und Ungedanken die trüben Ausgeburten des Rechtsirrtums der Hexenprozesse gedeihen könnten. Nachdem der Hexenglaube von den amtlichen Autoritäten einmal als berechtigt anerkannt worden war, konnten ihn die stichhaltigsten Argumente nicht mehr so leicht aus der Welt schaffen. Noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts, als bereits der Kampf gegen diesen Aberglauben kräftig eröffnet war, flackerte er noch an vielen Orten heftig auf und führte so zu einer großen Anzahl schmählicher Hexenverfolgungen und Hexenprozesse mit barbarischen Urteilen. Durch den Druck der Folterung gestanden die "Hexen" alles, was man von ihnen verlangte, nur um einer weiteren Folterung zu entgehen. Manches unglückliche Weib und Mädchen wurde in Ungedanken und Fritzlar eingezogen und den Schmerzen der Folter und endlich dem Scheiterhaufen übergeben.
Von Ungedanken mußten auf diese Weise fünf Frauen ihr Leben lassen. Das Vermögen der auf dem Scheiterhaufen verbrannten "Hexen" wurde von den Richtern eingezogen, die ungeheuer hohen Prozeßkosten hatten außerdem die Hinterbliebenen der Unglücklichen zu erstatten, und es kam öfter vor, daß die Kosten doppelt erhoben wurden, weil Richter und Nachrichter die Gelder unterschlagen hatten. Allein in einem Zeitraum von drei Jahren wurden in Fritzlar 62 Personen als Hexen gefänglich eingezogen und der peinlichen Befragung ausgeliefert. Und das alles zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, in dem man wahrlich andere Sorgen hätte haben sollen.
Mehr Infos finden Sie hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Hexe
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