Im nördlichen Hessen bildete Fritzlar wohl schon seit dem 11. Jahrhundert einen Hauptstützpunkt der mainzischen Macht. Allerdings war dort noch im Jahre 1002 eine königliche Pfalz. Der dortige Grundbesitz des Erzstiftes stammte zum Teil wohl noch aus der Zeit des hl. Bonifatius; hinzu kamen die ausgedehnten Besitzungen des St. Petristifts, das seit dem 11. Jahrhundert an die Stelle des von Bonifatius dort gegründeten Klosters getreten war. Wann die Stadt unter die weltliche Herrschaft der Erzbischöfe von Mainz gekommen ist, läßt sich nicht feststellen. Seit 1123 besaßen die Landgrafen von Thüringen die Vogtei über Fritzlar als mainzisches Lehen. Daß im 12. Jahrhundert außer dem Zoll auch die dortige Münze und ein Forst dem Erzstift gehörten, ergibt sich vor allem aus der Aufzeichnung des Erzbischofs Konrad I. über den Zustand, in dem er 1183 das Erzstift gefunden hatte.
Aber trotz zahlreicher Besitzungen grundherrlicher Art in jener Gegend reichte die mainzische Territorialherrschaft noch im Anfange des 14. Jahrhunderts nicht über das Gebiet der Stadt hinaus. Damals kamen die beiden unmittelbar angrenzenden Dörfer Ungedanken und Rothhelmshausen durch Schenkungen und Käufe in den Besitz des Fritzlarer St. Petristifts. Ursprünglich hatten diese beiden Dörfer der adligen Familie von Löwenstein gehört, deren Stammburg im Löwensteiner Grund gelegen war. Die Verwaltung und Gerichtshoheit der beiden Dörfer lag völlig in der Hand des Stiftes, das einen eigenen Amtmann für sie bestellte und der neben dem erzbischöflichen Amtmann von Fritzlar eine selbständige Stellung einnahm. Dennoch bedeutete dieser Landzuwachs eine merkliche Verbreiterung der mainzischen Macht im nördlichen Hessen, die noch verstärkt wurde, als Erzbischof Johann II. am 25. Mai 1411 das Dorf und Gericht Holzheim von den seitherigen Besitzern, den Herren von Falkenberg kaufte, die das Dorf selbst vor 1348 von den Herren von Holzheim erworben hatten. Die Bedeutung des Amtes Fritzlar für die Mainzer Erzbischöfe und das Erzstift lag angesichts dieser verhältnismäßig geringen Ausdehnung und der infolgedessen begrenzten Einkünfte vor allem auf militärischem und verwaltungstechnischem Gebiet. Die festummauerte Stadt, die durch sechs in ihrem Umkreis errichtete Warten noch besonders gesichert war, bildete einen wichtigen Etappenpunkt auf der Verbindungslinie zwischen den Besitzungen um Amöneburg und dem mainzischen Eichsfeld. Die Landgrafen von Hessen suchten nicht nur von außen her immer wieder die Stellung des isolierten mainzischen Amtes zu erschweren; auch die Verhältnisse im Innern, besonders die zeitweise sehr gespannten Beziehungen der Stadt zum St. Petristift boten oft genug günstige Gelegenheit für Hessen, die Rolle des lachenden Dritten zu übernehmen.Von diesem Gesichtspunkt aus ist vor allem die Schutzhoheit über das Stift zu würdigen.die von den Landgrafen seit der Mitte des 15. Jahrhunderts fast ununterbrochen ausgeübt wurde. Landgraf Philipp der Großmütige versuchte, diesen Schutz zur vollen Landeshoheit auszubauen, indem der von ihm erteilte Schutzbrief die beiden Stiftsdörfer Ungedanken und Rothhelmshausen ausdrücklich mit umfaßte. Aber erst seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts hat Hessen diesen Anspruch während der Grenzverhandlungen mit Mainz wirklich geltend gemacht, ohne ihn indessen durchsetzen zu können (1711 — 1724). Von praktischer Bedeutung für das Stift ist der hessische Schutz vor allem während der Besetzung durch das fanzösische Revolutionsheer geworden, das erst auf Vermittlung des Landgrafen Wilhelm IX. hier auf jede Kriegssteuer verzichtete. Daß Mainz schon unmittelbar nach dem Abzug der Franzosen im Juli 1797 sich gegen diese Beeinträchtigung seiner Rechte wandte, geht aus einem Naumburger Amtsbericht vom 18. Okt. 1797 hervor.
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